Folge 5

 

Willow und Kennedy waren in der Nacht aus Sunnydale zurückgekommen und so saß nun die ganze Truppe wieder gemeinsam am Frühstückstisch. Willow berichtete allen vom verschütteten Höllenschlund, von Riley und von der Ausgrabungsstätte. Woraufhin Buffy erzählte, wem sie am Abend zuvor begegnet war.

 

„Ethan Rayne?!“ kam es aufgebracht von Willow.

 

„Ja genau, und ich glaube, dass er es auch war, der im Höllenschlund in Sunnydale gegraben hat.“

 

„Wie kommst du darauf?“ Wollte Xander jetzt wissen.

 

„Er trug das Amulett um den Hals, dass ich Spike gegeben hatte.“

 

Alle sahen Buffy wieder skeptisch an. So recht konnte sich keiner vorstellen, dass Buffy wirklich mit Spike in Kontakt treten konnte. Auch wenn sie sich eingestehen mussten, dass an einem Höllenschlund so manches möglich war. Aber Buffy schien alles immer mit Spike in Verbindung zu bringen. In einigen Köpfen kursierte die Frage, ob auch alles in Ordnung mit ihr sei.

 

Dawn wagte es als einzige offen an ihren Worten zu zweifeln: „Bist du sicher, dass es dasselbe Amulett war? Oder ist es vielleicht nur ein Wunschgedanke von dir.“

 

„Ich bin mir absolut sicher. Leute, überlegt doch mal. Ethan Rayne hat schon immer mit schwarzer Magie hantiert. Ich schätze er hat Magie benutzt, um aus dem Militärgefängnis auszubrechen. Und ebenso, um die Wachen am Höllenschlund zu umgehen. Er wird sich vermutlich ein paar Dämonen angeheuert haben, die ihm beim Graben halfen und hat dort nach dem Amulett gesucht. Wir haben ja alle gesehen, dass es große Macht besitzt. Ich schätze deswegen war er auf der Suche danach. Das passt doch alles zusammen.“

 

Xander war noch immer skeptisch und fragte: „Aber woher sollte Ethan Rayne wissen, dass ausgerechnet dort das Amulett begraben war? Er war doch die ganze Zeit im Gefängnis.“

 

Nun war es Willow, die Partei ergriff: „Ich glaube nicht, dass er es im vornherein gewusst hatte. Ich denke er hat einfach nach dem Amulett gesucht, und es dort gefunden. Ich vermute er hat eine Art Ortungszauber angewandt, der ihn direkt dort hin geführt hatte. Und ich finde auch, dass es Sinn macht was Buffy sagt.“

 

Jetzt war es Buffy, die ihrer Freundin für ihre Unterstützung einen dankbaren Blick zuwarf.

 

Kennedy warf nun ein: „Sollten wir jetzt nicht Riley informieren? Er wollte es doch wissen, falls wir diesem Ethan Rayne begegnen.“

 

Doch Buffy meinte sofort: „Nein auf keinen Fall! Ich will zuerst wissen, was es mit dem Amulett auf sich hat. Ethan Rayne ist bestimmt nicht umsonst hier. Und ich habe das Gefühl, dass dieses Ding eine große Rolle dabei spielt. Außerdem denke ich, dass meine nächtlichen Begegnungen mit Spike auf irgendeine Art etwas mit dem Amulett zutun haben. Ich vertraue dem Militär nicht. Wenn sie ihn gefangen nehmen, werden sie es in Beschlag nehmen und wir erfahren nie etwas darüber.“

 

Auch wenn immer noch Zweifel im Raum lagen, stimmten schließlich alle zu und beschlossen mehr über das Amulett und den Grund für Ethan Raynes Aufenthalt in Erfahrung zu bringen. Doch vorerst mussten die Recherchen noch warten. Da die finanzielle Situation bei der Truppe allgemein nicht besonders rosig aussah, mussten alle Pflichten erledigen oder zur Arbeit gehen. Xander machte sich auf den Weg auf die Baustelle, während Buffy sich auf einen neuen Tag im Museum vorbereitete.

 

Willow hatte einen Termin an der hiesigen High School. Sie hatte sich dort als Aushilfslehrerin für den Computerunterricht beworben, bis das nächste Semester an der Uni beginnt. Dadurch wollte sie einen nützlichen Beitrag für die Wohngemeinschaft beitragen, und dabei wieder ein wenig unterrichten, was ihr früher schon immer sehr gefallen hatte. Zum Glück hatten sich ihre Eltern bereit erklärt sie bei ihrem Studium finanziell zu unterstützen, wodurch sie bald in der Lage sein würde endlich weiterzustudieren. Sie hoffte nur, dass sie diesmal ihr Studium beenden könnte, bevor dieser Höllenschlund alles in seinem Rachen verschlingt.

 

Kennedy war von allen wohl in der glücklichsten Lage. Zumindest, was die finanziellen Sorgen angeht. Sie stammte aus wohlhabendem Hause. Ihre Familie schickte ihr regelmäßig einen ordentlichen Scheck, dessen größten Teil sie jedoch in die gemeinsame Hauskasse steckte, damit alle notwendigen Besorgungen getätigt werden konnten. Es machte ihr nichts aus, das Geld mit ihren Freunden zu teilen. Die kleine Truppe hatte sich fast zu einer kleinen Familie entwickelt, die mit den üblichen alltäglichen Sorgen zu kämpfen hatte, aber stets fest zusammenhielt.

 

Mit einer großen Reisetasche beladen wollte Dawn gerade mit Kennedy und Willow das Haus verlassen, als Buffy sie fragend aufhielt: „Dawn, wo willst du mit der Reisetasche hin? Ich denke du gehst zur Schule?“

 

„Klar! Tu ich doch auch. Schon vergessen? Schulausflug! Ich fünf Tage unterwegs... du hast unterschrieben... erinnerst du dich?“

 

„Ach ja. Fünf Tage? Wo fahrt ihr hin?“

 

„In der Küche liegt der Zettel, da steht alles drauf. Tschüss!“ erklärte ihre Schwester, als sie das Haus verließ.

 

Buffy warf einen kurzen Blick in Richtung Küche und wandte sich dann noch mal an Dawn, die bereits auf dem Weg zur Schule war: „Ruf an!“

 

Ohne Antwort stapfte Dawn weiter davon. Sie fühlte sich in letzter Zeit ziemlich vernachlässigt von ihrer Schwester. Sie hatte verstanden, warum Buffy keine Zeit hatte, als das Urböse noch da war, aber jetzt nachdem alles überstanden war hatte sie sich etwas mehr Aufmerksamkeit erhofft. Doch die vielen Probleme, die die neue Umgebung mit sich brachten und die finanziellen Engpässe machten die Situation zwischen den Summers-Frauen nicht leichter.

 

Nun machte sich auch Buffy auf den Weg zur Arbeit, sodass nur noch Andrew im Haus war. Niemanden der anderen war aufgefallen, dass dieser sich ungewöhnlich ruhig verhalten hatte. Er hatte nur darauf gewartet bis alle das Haus verlassen hatten, um dann endlich seinen neuen Freund begrüßen zu können. Der kleine Kobold setzte sich mit einem Sprung wieder auf seine Schulter und wünschte einen guten Morgen.

 

****

 

Mit einer kleinen Truhe aus edlem Mahagoniholz schritt Ethan Rayne durch eine dunkle feuchte Gasse in die zu keiner Tageszeit das Sonnenlicht drang, zu einer geheimen Hintertür, die für ein normales Menschliches Auge nicht zu erkennen war. Er klopfte dort fünf Mal an die vermeintliche Hauswand und bat somit um Einlass. Wie aus dem Nichts erschien plötzlich hinter ihm eine dürre menschliche Gestalt und blickte ihn aus hohlen dunkelumrandeten Augen an. Ethan drehte sich gelassen zu ihm. Der dürre Türwächter fragte mit hohler Stimme:

 

„Wer bist du? Und was willst du an diesem Ort?“

 

„Wer ich bin tut nichts zur Sache, und ich suche hier jemanden, der sein Fach in der schwarzen Magie versteht.“

 

„Wen glaubst du hier finden zu können? Fremder.“

 

„Aurelius den Alten.“

 

„Warum glaubst du, dass er dich anhören will.“

 

„Ich will ihm ein lukratives Geschäft vorschlagen.“

 

„Was willst du ihm anbieten? Er hat alles was ein Mann sich wünschen kann.“

 

Ethan zeigte ihm die hölzerne Truhe und öffnete den Deckel. Die dunklen Augen der dürren Gestallt begannen zu funkeln. Als Antwort hob er nur seine knöchrige Hand und deutete auf die Hauswand hinter Ethan, wo nun ein Eingang zu erkennen war.

 

****

 

Langsam fand sich Buffy in dem Chaos von verschiedenen Akten und Ordnern zurecht. Mrs. Simon würde noch lange genug da sein, und ihr alles zeigen womit sie noch Schwierigkeiten hatte. Dies war sehr beruhigend. Sie hatte sehr gehofft auf Mr. Willington zu treffen. Der vergangene Abend verlief nicht so, wie erhofft und sie wollte sich noch für ihr plötzliches Verschwinden entschuldigen. Doch leider befand sich dieser wieder auf einer Geschäftsreise. Immerhin hatte sie Glück, und der unangenehme Mr. Morgan war ebenfalls geschäftlich unterwegs. Somit hatten die beiden Frauen in Ruhe Zeit alle notwendigen Dinge zu erledigen und weitere Einweisungen durchzuführen.

 

Mrs. Simon griff sich plötzlich stöhnend an den Bauch. Buffy sorgte sich und fragte: „Mrs. Simon, ist was mit dem Baby?“

 

„Nein, nein. Alles in Ordnung der kleine Racker wollte nur mal auf sich aufmerksam machen. Wollen sie mal fühlen?“

 

Buffys Augen begannen zu leuchten, als sie ihre Hand auf den runden Bauch legte, und dabei deutlich die Bewegungen des Kindes spüren konnte. Das Baby hatte ihre Hand wohl wahrgenommen, denn es streckte sich nun erst recht ihrer Hand entgegen. Noch nie hatte Buffy so etwas gespürt. Sie lächelte fasziniert und drückte ganz leicht gegen die Bauchdecke.

 

„Er scheint sie zu mögen.“ lächelte ihr Mrs. Simon entgegen.

 

Buffy starrte auf ihre Hand, die auf Mrs. Simons Bauch ruhte. Traurig dachte sie, ob sie jemals selbst fühlen dürfte, wie Leben in ihrem eigenen Bauch entstehen würde. Als Jägerin war ihr keine lange Lebenserwartung bestimmt. Auch wenn es jetzt viele Jägerinnen gab, so war es immer noch ihre Bestimmung gegen das Böse zu kämpfen. In ihrer Welt war deshalb kein Platz für Kinder.

 

„Stimmt was nicht Mrs. Summers?“

 

Buffy bemühte sich ein unbeschwertes Lächeln aufzusetzen und antwortete rasch: „Nein, alles in Ordnung. Ich war nur in Gedanken.“

 

****

 

Als Ethan durch den geheimen Eingang ging, fand er sich plötzlich in einem kleinen selbst für ihn unheimlichen Raum wieder. Die Wände schienen schwarz vor Ruß und Schmutz. An der Wand gegenüber befand sich ein offener Kamin in dem das Feuer loderte, aber wodurch der Raum nicht wärmer wurde. Im Gegenteil, scheinbar schien die Flamme eher zu kühlen als zu wärmen. Ethan zog sich seinen langen schwarzen Mantel enger, da ihm eine Gänsehaut den Rücken herunterlief. Vor dem Kamin stand ein großer, alter, ausrangierter roter Sessel indem offensichtlich jemand saß, der aber noch nicht zu erkennen war. An der verrußten Wand waren brennende Kerzenhalter, von denen das Wachs wohl schon seit Jahren herunter tropfte, und auf dem Boden regelrechte Stalagmiten bildete. Die dürre Gestalt, die Ethan die Tür geöffnet hatte war ihm gefolgt, flüsterte dem im Sessel Sitzenden etwas zu und stellte sich hinter Ethan, beobachtend, in eine Ecke des Raumes. Ethan spürte dessen bohrenden Blick auf sich ruhen.

 

„Komm näher..... Fremder,“ sprach der Unbekannte mit einer hohlen heiseren Stimme. Ethan näherte sich vorsichtig. Er sah einen alten Man mit dünner blasser Haut und tiefen dunklen Augenhöhlen im Sessel sitzen. Der gesamte Körper des Mannes schien, als wäre er weit über hundert Jahre alt. Eine seiner knöchrigen Hände ruhte auf der Sessellehne, während er mit der anderen eine aus Knochen geschnitzte Pfeife zum Mund führte. Sein weises dünnes Haar hing ihm lang bis zu den Schultern herunter.

 

„Welches Anliegen führt dich hier her?“

 

„Bist du Aurelius der Alte?“

 

„Wer ich bin tut nichts zur Sache. Du hast etwas, was ich haben möchte. Was verlangst du dafür.“

 

„Nur eine Gefälligkeit. Einen kleinen Zauber nichts weiter.“

 

„Was für ein Zauber? Und warum sprichst du ihn nicht selbst? Ich spüre Macht in dir.“

 

„Meine Kräfte sind bescheiden im Vergleich zu den deinen. Außerdem muss ich meine Kräfte für ein bestimmtes Vorhaben schonen. Ich möchte dass du die Jägerin ein wenig beschäftigst, damit sie mir nicht mehr in die Quere kommen kann.“

 

„Es gibt viele Jägerinnen.“

 

„Ja, das habe ich gehört. Die, die ich meine ist eine besondere Jägerin. Ihr Name ist Buffy Summers.“

 

„Ah, du meinst die eine Jägerin! Welchen Zauber verlangst du für eine Gabe?“

 

„Nichts was sie töten könnte. Sie soll nur ein wenig abgelenkt werden. Wie wäre es mit einem Zauber, wodurch sie an neuer Größe gewinnt?“

 

****

 

Nachdem er zusammen mit Bertolin den Bestand der Nahrungsmittel überprüft hat, beschloss Andrew einkaufen zu gehen. Er verabschiedete sich bei seinem kleinen Freund und verließ das Haus.

 

Kurz darauf erschien der alte Mann aus dem Nichts auf der Veranda. Eingehüllt in einen langen schwarzen Umhang schützte er sich vor den Strahlen der Sonne, obwohl sie ihm nichts anhaben konnten. Er mochte nur die Helligkeit nicht, die die Sonne mit sich brachte.

 

Er ging zur Haustüre, streute ein glitzerndes Pulver über die Türschwelle und murmelte fremdartige Wörter vor sich her.

 

Als der Zauber gesprochen war, verwandelte er sich selbst in eine schwarze Katze. Er wollte Buffy und ihre Freunde dabei beobachten, wie sie diese Situation bewältigen würden. Deshalb schlich er schnurrend zu der Hollywoodschaukel und machte es sich dort nach Katzen-Manier gemütlich.

 

****

 

Andrew war der erste, der beladen mit zwei schweren Einkaufstüten zuhause ankam. Die schwarze Katze fiel ihm gar nicht auf, weswegen er direkt zur Eingangstüre ging, um sie aufzusperren. Kaum hatte er die Türschwelle übertreten, ging die Türe von Geisterhand wieder zu, und Andrew vernahm ein lautes „flopp“. Andrew fand sich plötzlich an einem ihm fremden Ort wieder. Verwirrt blickte er sich um. Er ging ein paar Schritte um sich die Gegend genauer anzusehen, aber nichts hier wirkte vertraut. Der Boden schien aus riesigen Holzplatten gefertigt, welche von gewaltigen Mammutbäumen stammen mussten. Nach einigen Metern stieß er schließlich auf einen monströsen Teppich, dessen Fasern so dick wie seine Daumen waren. Er hatte große Mühe darüber zu gehen. Schließlich endete seine Reise an einer hölzernen Wand. Bei genauerer Betrachtung fiel ihm allerdings auf, dass es sich hierbei um eine gigantische Treppe handelte. Hoch oben auf einer der Stufen erkannte er plötzlich einen Schuh, der genauso aussah, wie seiner. Allerdings nur viel größer.

 

Verängstigt und zugleich überwältigt sprach er zu sich selbst: „Wow, ich werd verrückt! Unser Haus ist gewachsen! Alles ist auf einmal so riesig geworden!“

 

Neugierig blickte er sich weiter im Raum um, und erkannte in der Ferne ein paar Möbel und weiter hinten den Eingang zur Küche. Es bestand für ihn kein Zweifel. Er war zuhause, doch alles schien ins Immense gewachsen zu sein.

 

„Hallo?!“ rief er in den Raum, in der Hoffnung einen der anderen anzutreffen. Doch leider schien niemand hier zu sein.

 

Er entschloss, sich weiter im Haus umzusehen. Die Einkaufstüten lies er unterwegs zurück, da er sie nicht den langen Weg tragen wollte.

 

****

 

Etwas später kamen Willow und Kennedy zuhause an. Willow schritt bereits zur Tür und wollte gerade aufsperren, als Kennedy sich liebevoll an sie lehnte und fragte: „Was hältst du davon, wenn wir noch nicht hineingehen? Wie wäre es wenn ich dich noch auf einen Kaffee einladen würde? Außer Andrew ist sowieso noch niemand zuhause, also könnten wir uns doch noch einen gemütlichen Nachmittag machen. Was sagst du?“

 

Um Willows Entscheidung zu ihren Gunsten zu beeinflussen, drückte ihr Kennedy einen zärtlichen Kuss auf die Lippen. Willow erwiderte den liebevollen Kuss und nahm ihre Freundin in die Arme. Ihre Lippen formten ein kapitulierendes Lächeln und als sie sich wieder trennten meinte sie: „Ich glaube gegen einen Kaffee ist nichts einzuwenden.“

 

Freudig nahm Kennedy Willows Hand und zog sie von der Veranda. Die grünen Augen der Katze begannen zu funkeln, als würden ihr grade zwei leckere Mäuse davon laufen. Doch Katzen haben bekanntlich viel Geduld, so rollte sie sich wieder auf ihrem Platz zusammen, und wartete auf den nächsten Hausbewohner.

 

****

 

Es war Xander, der als nächstes zuhause ankam. Er hatte Probleme auf der Baustelle und hat deswegen früher Schluss gemacht. Kaum hatte auch er die Türschwelle überschritten, machte es „flopp“, und er fand sich in einer riesigen Version ihres Hauses wieder. Auch er begann damit dieses ihm fremde Universum zu erforschen.

 

****

 

Als Buffy schließlich von der Arbeit kam, wirkte das Haus ungewöhnlich ruhig. Dann fiel ihr jedoch ein, dass Xander wohl noch in der Arbeit sei, und ihre Schwester mit der Schule auf einem Ausflug war. Sie betrat die Veranda und sah eine schwarze Katze auf der Hollywoodschaukel liegen. Sie näherte sich ihr vorsichtig und fragte freundlich: „Na wer bist du denn?“

 

Buffy beugte sich über die Katze und streichelte ganz vorsichtig über das schwarz glänzende Fell. Diese streckte ihr sofort ihr Köpfchen entgegen und fing an zu schnurren. ‚So ein hübsches Ding’ dachte Buffy und kraulte sie sanft hinter den Ohren, was die Katze mit einem noch ausgiebigerem Schnurren quittierte.

 

Dann erhob sie sich wieder, um schließlich ins Haus zu gehen. Während sie die Türe aufsperrte, blickte sie noch freundlich zurück auf die schnurrende Katze, bis auch sie, nachdem sie das Haus betreten hatte mit einem lauten „flopp“ in dem riesigem Haus landete.

 

Buffy erkannte nach ein paar Schritten sofort, dass dies hier dasselbe Haus wie das ihrige war. Nur größer. Sie begriff jedoch schnell, dass es nicht das Haus war, das sich verändert hatte, sondern dass sie selbst diejenige war, die ihre Größe verändert hatte. Besser gesagt war sie geschrumpft. Sie rief laut nach Andrew, welcher der einzige war, von dem sie sicher wusste, dass er hier sein müsste.

 

Xander hatte ihr Rufen gehört, und eilte hinter einer der riesigen Stufen herbei.

 

„Buffy! Hier! Ich bin es! Xander!“ rief er ihr entgegen. Sie lief ihm entgegen und ziemlich erleichtert, dass sie beide nicht allein in dieser Situation steckten fielen sie sich kurz um den Hals.

 

„Buffy, was ist hier los? Als ich hier ankam, war alles viel größer.“

 

„Ich schätze eher, dass wir viel kleiner sind.“

 

„Oh, da hast du wohl Recht.“

 

„Wo ist Andrew? Und warum bist du eigentlich schon zuhause?“

 

„Ich hatte Schwierigkeiten in der Arbeit. Ich erzähl’s dir später. Jetzt sollten wir Andrew suchen, ich hab schon versucht ihn zu finden, aber bisher ohne Erfolg. Das einzige was ich entdecken konnte, waren zwei Einkaufstüten.“

 

„OK, dann komm.“

 

Buffy und Xander machten sich auf den weiten Weg in die Küche. Zwischendrin riefen sie nach seinem Namen, in der Hoffnung, dass er sie vielleicht hören könnte.

 

Nach einigen Minuten anstrengenden Fußmarsches gelangen sie endlich in die Küche. Dies war der einzig logische Ort, an dem Andrew sich aufhalten konnte. Das Wohnzimmer besaß noch keinerlei Einrichtung, und nach oben hätte er sicher nicht gehen können, sofern er dieselbe Größe wie Buffy und Xander besaß. Was den Einkaufstüten nach wohl auch der Fall war.

 

Die Beiden standen direkt unter dem Küchentisch. Buffy blickte weit nach oben und lauschte. Ihr war so, als würde Andrews Stimme von dort oben hören.

 

„ANDREW?“

 

„ANDREW!“

 

Andrews kleiner Kopf lugte vorsichtig von der Tischplatte herunter und sah Buffy und Xander unter sich neben dem Tischbein stehen.

 

„Hallo Buffy! Hallo Xander! Was macht ihr da unten?“

 

„Was zum Geier machst du da oben?“ schrie Xander und Buffy fügte noch hinzu: „Wie bist du da rauf gekommen?“

 

„Bertolin hat mich hier hoch gebracht.“

 

„WER?“

 

„Wartet, ich frage ihn, ob er euch auch hilft.“

 

Xander und Buffy sahen sich verwundert an, nachdem Andrews Kopf wieder verschwunden war. Sie hörten wie er mit einer weiteren Stimme heftig diskutierte, bis er wieder herunter blickte.

 

„Er sagt, er hilft euch nur, wenn ihr auf den heiligen Kodex schwört, dass ihr ihm niemals etwas tun werdet.“

 

Xander rollte mit den Augen und meinte leise zu Buffy: „Der ist doch total durchgeknallt. Wer weiß wie der da wirklich rauf gekommen ist. Vermutlich hat er gerade mit sich selbst gesprochen.“

 

„Keine Ahnung, aber lass uns mal auf dieses Spiel eingehen. Mal sehen, was dabei rauskommt. Oder hast du grad was Besseres vor?“

 

„Ich würde ganz gerne wieder wachsen.“

 

„Ich auch,“ erwiderte Buffy und schrie dann: „Also gut! Wir schwören auf den heiligen Kodex! Wir werden deinem Freund nichts tun!“

 

„Xander muss selber schwören! Bertolin vertraut ihm nicht.“

 

„Also das ist ja,“ fing Xander an zu schimpfen und wäre am liebsten zu ihm hochgeklettert,  doch Buffy beruhigte ihn und meinte: „Mach schon.“

 

„Ich schwöre bei dem heiligen Dingsda...“

 

Andrew unterbrach ihn: „KODEX!“

„OK, OK schon gut. Ich schwöre bei dem heiligen Kodex, dass ich ihm nichts tun werde.“

 

Kaum hatte Xander seinen Schwur gesprochen, schwang sich Bertolin mit einem Satz von der Tischplatte herunter, und landete vor Buffy und Xander, die erschrocken zurückwichen. Der Kobold war beinahe doppelt so groß wie sie, und wirkte mit seinem riesigen Bauch sehr massiv und bedrohlich.

 

Bertolin bemühte sich freundlich zu sein und sagte: „Guten Tag, ihr Menschlein. Ich bin Bertolin Borenklopp von dem Klan der Borenklopps. Mein Mei *murmel* (Eigentlich sollte es Meister bedeuten, aber er hatte noch Schwierigkeiten sich mit seiner neue Situation abzufinden, sodass er diesen Umstand noch zu sehr verdrängte. Vor allem nachdem sein Meister nun viel kleiner war als er.) bat mich euch nach oben zu helfen. Kommt näher.“

 

Zögerlich näherte sich Buffy dem Kobold. Ohne weitere Vorwarnung und zu Buffys großer Überraschung, griff Bertolin nach ihr, warf sie über seine Schulter und sprang in einem Satz auf die Tischplatte. Dasselbe wiederholte er auch mit Xander, der sich zwar etwas dagegen wehrte, aber sein Zappeln hielt Bertolin nicht davon ab, die Bitte seines Meisters zu erfüllen.

 

Oben angekommen musterte Buffy ungläubig den in grün gekleideten Riesen. Denn aus ihrer momentanen Sicht, war er ein gutes Stück größer als sie.

 

„Ich vermute du bist wohl unser unsichtbarer Hauskobold. Nicht wahr? Andrew, woher kennst du ihn?“

 

Bertolin nickte nur bestätigend, während Andrew stolz antwortete: „Ich habe ihn mit einer meiner Koboldfallen gefangen.“

 

„So so, und wann wolltest du uns das mitteilen?“

 

„Es passierte erst gestern Abend. Ihr hattet alle keine Zeit. Ihr musstet euch ja über diesen Ethan Rayne unterhalten.“

 

„Ethan.“ kam es nun nachdenklich und zugleich etwas wütend von Buffy. „Ich wette er steckt dahinter.“

 

Xander bemühte sich einen großen Sicherheitsabstand zu dem Kobold zu halten und fragte Buffy: „OK, was sollen wir jetzt tun?“

 

„Wir müssen Willow bescheid sagen, bevor sie das Haus betritt. Sie kann uns vielleicht mit Magie wieder in unsere ursprüngliche Größe verwandeln. Hoffentlich sind sie nicht schon nachhause gekommen.“

 

„Bis jetzt noch nicht,“ meinte Bertolin, „das hätte ich bemerkt.“

 

Buffy erwiderte: „Kannst du uns helfen? Könntest du Willow warnen, bevor sie ins Haus kommt?“

 

„Ich helfe doch keinen Menschlein, pah!“

 

„Mir hast du doch auch geholfen?“ fragte Andrew nach.

 

„Du bist ja auch mein Meister.“ Gab Bertolin zur Antwort, fügte aber das letzte Wort eher flüsternd hinzu.

 

„Gut,“ fing Andrew mit stolzer Brust von sich, da offensichtlich er die Fäden in der Hand hielt und sagte weiter: „dann wünsche ich, dass du Willow eine Warnung gibst, bevor sie das Haus betritt.“

 

„Wofür hältst du mich? Für eine verkloppte Glücksfee? Ich bin ein Kobold und kein Wunscherfüller.“

 

„Aber ich dachte ich sei dein Meister und du müsstest mir helfen?“

 

„Ach halt die Klappe, ich geh ja schon!“ wollte Bertolin verdrießlich davon gehen, als Buffy ihn aufhielt.

 

„Du musst Willow um jeden Preis davon abhalten ins Haus zu gehen. Verstanden? Erklär ihr was passiert ist. Ich vermute es hat irgendetwas mit der Eingangstür zu tun.“

 

Nicht weiter auf ihre Worte achtend sprang Bertolin von dem Tisch und eilte rasend schnell zur Haustüre. Er zögerte einen Moment. Er war ein Hauskobold, und hatte sein Heim schon seit ewiger Zeit nicht mehr verlassen. Außerdem wirkte die Türe nicht gerade Vertrauen erweckend. Zumal scheinbar jeder der diese Schwelle übertrat in einen Winzling verwandelt wurde. Für seinen Geschmack war er schon klein genug und wollte nicht auf die Größe einer Laus schrumpfen, weshalb er sich dazu entschloss das Haus über ein Fenster zu verlassen.

 

Er schaffte es, eines der Fenster einen Spalt breit zu öffnen und hindurch zu schlüpfen. Geschickt hüpfte er von dem Fenster in den Garten und sprang ein paar Hüpfer weiter zu der Veranda. Damit er keine unangenehme Überraschung erleben würde, machte er sich zur Sicherheit wieder unsichtbar. Denn schließlich war es nur bei seinem Meister seine Pflicht sich erkennbar zu zeigen.

 

Mit einem mehr als skeptischen Blick, den aber niemand sehen konnte da er ja unsichtbar war, entdeckte er die schwarze Katze auf der Hollywoodschaukel. Er konnte Katzen nicht leiden. Es war allgemein bekannt unter den Kobolden, dass Katzen ihnen gerne hinterher jagten und so mancher ehrwürdiger Kobold berichtete von einer knappen Flucht aus den Fängen dieser bedrohlichen Mäusefänger.

 

Er verhielt sich ruhig und wartete geduldig auf die Ankunft von Willow.

 

****

 

Xander, Andrew und Buffy standen derweilen auf dem Küchentisch. Andrew wagte einen Blick in die Ferne und staunte über die überdimensionale Größe der Küche. Danach begutachtete er die riesige Tasse und den gewaltigen Löffel, welche noch immer auf dem Tisch standen. Ebenso wie das Handy, das in seiner immensen Größe neben der Tasse lag.

 

„Wahnsinn! Das ist genauso wie bei „Liebling ich habe die Kinder geschrumpft“!“

 

Die beiden anderen ignorierten Andrews Begeisterung. Ihnen machte es viel mehr Sorgen, wie sie wieder ihre normale Größe erhalten könnten. Xander fragte Buffy: „Was glaubst du? Wird dieser Kobold Willow rechtzeitig warnen können?“

 

„Ich hoffe es sehr. Vielleicht kann uns Willow aber auch helfen, wenn sie klein ist? Aber besser wäre es bestimmt, wenn Bertolin sie aufhalten könnte.“

 

Plötzlich wurden die drei durch einen gewaltigen Lärm aufgeschreckt. Das Handy begann seine Melodie von sich zu geben und in regelmäßigen Vibrationen über den Tisch zu wackeln.

 

Die Vibrationen des Handys waren so stark, dass Andrew Mühe hatte sich auf den Beinen zu halten. Xander und Buffy eilten herbei. Buffy wollte versuchen das Gespräch anzunehmen, was sich allerdings als ziemlich schwierig herausstellte. Es war eines der Geräte, die ausgeklappt werden mussten, um das Gespräch anzunehmen. Mit Xanders Hilfe versuchte sie das Handy aufzubekommen. Sie scheiterten jedoch, da es immer wieder begann heftig zu vibrieren, wodurch es ihnen unmöglich war.

 

****

 

Dawn war mit ihrer Klasse in einer Art Jugendherberge in Cincinati angekommen. Dort würden sie die nächsten Tage verbringen. Sie hatte während des ganzen Tages an Buffy und ihre Freunde denken müssen. Irgendwie tat es ihr leid, dass sie einfach so weggegangen war und hatte deswegen ein schlechtes Gefühl gehabt. Sie hatte mehr Aufmerksamkeit von ihrer Schwester erwartet, aber während der langen Fahrt hier her wurde ihr einiges bewusst.

 

Ihr wurde klar, dass es für Buffy genauso schwierig sein musste in einer fremden Stadt Fuß zufassen. Und der Tod von Spike schien ihr sehr nahe gegangen zu sein. Umsonst hatte sie wohl nicht all diese Träume und würde nicht behaupten mit ihm in Kontakt treten zu können. Dawn fragte sich, ob Buffy tatsächlich mit Spike sprechen konnte.

 

Ihr hatte es Leid getan, dass sie sich wieder Mal wie ein durchgeknallter Teenie aufgeführt hatte. Und deswegen wollte sie zuhause anrufen und mit Buffy sprechen. „Ruf an,“ hatte ihre Schwester ihr hinter gerufen. Sie hoffte darauf, sie zu erreichen. Doch niemand schien zuhause zu sein. Nicht einmal Andrew ging ans Telefon. ‚Hoffentlich ist nichts passiert?’ sorgte sie sich, als sie nach langem Klingel wieder auflegte.

 

****

 

Das Handy hörte auf seine Melodie zu spielen und Buffy und Xander ließen sich erschöpft auf dem Tisch nieder.

 

****

 

Willow und Kennedy schlenderten Hand in Hand die Straße herunter. Endlich waren sie zuhause. Dies dachten sich zumindest ein Hexer in Form einer schwarzen Katze und ein unsichtbarer Kobold.

 

„Oh sieh mal, eine Katze! Och ist die süß. Tara und ich hatten auch einmal eine, die sah genauso aus.“

 

Willow betrat begeistert die Veranda und begann genauso wie Buffy die schwarze Katze zu streicheln. Aurelius schnurrte nun wieder inbrünstig als Dank für die Streicheleinheiten. Kennedy machte sich derweilen daran, die Türe aufzusperren.

 

Bertolin beobachtete dies alles und fluchte leise vor sich hin. „Diese verkloppte Willow, was musste sie ausgerechnet zu diesem Langzahn eilen um ihn zu streicheln. Wenn sie nicht bald von diesem Fellmonster weggeht, dann wird ihre Freundin gleich zu schrumpfen anfangen. Aber das soll mir doch egal sein. Schließlich sollte ich ja nur den Rotschopf aufhalten. Von der Brünetten war nie die Rede.“

 

So ganz unbeteiligt war Bertolin allerdings nicht. Er machte sich sogar Sorgen um Kennedy. Aber als ehrwürdiger Kobold hätte er dies niemals offen zugegeben.

 

Kennedy wollte gerade den Schlüssel ins Loch stecken um die Türe auf zu sperren, als der unsichtbare Bertolin in letzter Sekunde hochsprang, und ihr den Schlüssel aus der Hand schlug. Die junge Jägerin blickte verwirrt zu Boden, dachte aber nicht länger darüber nach und wollte sich bücken um den Schlüssel auf zu heben. Dieser machte sich allerdings wie von Geisterhand selbständig und hüpfte zwischen Kennedys Beine nach hinten weg.

 

„Willow! Mein Haustürschlüssel macht sich selbständig.“

 

„Was ist los?“

 

„Na mein Schlüssel! Er ist mir aus der Hand gefallen und gerade als ich ihn aufheben wollte, ist er davon gehüpft.“

 

„Schlüssel hüpfen nicht einfach davon.“

 

„Ja, das weiß ich auch, aber ich habe es doch gesehen.“ fügte Kennedy energisch hinzu und deutete dabei auf den Schlüssel, der nun hinter ihr auf den Boden lag.

 

Willow entfernte sich schließlich endlich von der Katze, um den Schlüssel vom Boden aufzuheben. Dies nutzte Bertolin aus und sprang in einem Satz auf Willows rechte Schulter. Diese merkte, dass irgendetwas sie berührt hatte und blickte sich verwirrt nach rechts um. Doch niemand war zu sehen. Sie wollte sich gerade nach dem Schlüssel bücken, als plötzlich eine Stimme in ihr rechtes Ohr sprach: „Nicht erschrecken! Ich muss dich warnen.“

 

Willow erschrak jedoch sehr und machte dabei einen kleinen Satz, wodurch Bertolin beinahe von ihrer Schulter gestürzt wäre. Etwas wütend meinte er dann: „Hast du nicht gehört? Du sollst nicht erschrecken! Ich tu dir nichts. Deine Freunde sind in Gefahr. Mein Meister braucht deine Hilfe.“

 

Kennedy hatte das seltsame Verhalten ihrer Freundin beobachtet und war etwas näher gekommen. Nun hatte auch sie die Stimme gehört und fragte Willow: „Wer spricht da?“

 

„Na ich!“

 

Willow sagte daraufhin: „Wer ist ich? Wir können niemanden sehen und woher sollen wir wissen, das du die Wahrheit sprichst? Und wer bitte schön ist dein Meister?“

 

„Also gut. Ich bin Bertolin Borenklopp von dem Klan der Borenklopps. Mein Meister wollte, dass ich dich warne nicht ins Haus zu gehen. Du kennst ihn unter dem Namen Andrew.“

 

„Andrew ist dein Meister?“ fragte Kennedy mit einem unterdrückten Lächeln nach.

 

„Ja! Und wage es nicht über ihn zu lachen sonst wird dich mein Zorn treffen.“

 

Neugierig fragte Willow nach: „Warum sollst du uns davor warnen ins Haus zu gehen?“

 

„Dich. Ich soll nur dich warnen. Von der anderen hat niemand etwas gesagt. Du musst sie zurückzaubern.“

 

„Wen soll ich zurückzaubern?“

 

„Na meinen Meister und die beiden anderen.“

 

„Buffy und Xander?“

 

„Ja. Und jetzt komm endlich!“

 

„OK, aber wohin?“

 

Bertolin sprang von der Schulter auf das Geländer der Veranda und meinte: „Na mir hinter her!“

 

Willow hatte den Druck auf ihrer Schulter gespürt und ihr schwante allmählich, dass es sich wohl um den Kobold handeln musste.

 

„Hey du Schlaumeier! Wir können dich nicht sehen!“

 

„Natürlich nicht. Glaubst du ich zeig meine Gestalt, wenn hier 'ne dämliche Katze herumschleicht?“

 

Aurelius hatte dies alles interessiert beobachtet. Mit seinen leuchtenden Augen funkelte er Willow entgegen. Bei Bertolins Aussage über die „dämliche Katze“ begann er bedrohlich zu grollen.

 

„Großartig. Wie sollen wir dir dann folgen?“

 

Nun erkannte Bertolin das Problem und sprang in zwei Hüpfern wieder auf Willows Schulter zurück. Als ob er nun befürchten würde das ihm die Katze jetzt etwas anhaben könnte, flüsterte er ihr ins Ohr: „Geh von der Veranda runter ums Haus. Da ist ein offenes Fenster. Von dort aus gelangst du hinein. Mein Meister und deine Freunde sind in der Küche auf dem Tisch.

 

„Auf dem Tisch?“

 

„Ja ganz recht. Jetzt geh schon, dann siehst du selbst was ich meine.“

 

Willow und Kennedy folgten seinen Anweisungen. Aurelius, die Katze, sprang von der Schaukel und schlenderte etwas später hinterher. Er wollte sehen, was diese Rothaarige tun würde, um ihren Freunden zu helfen.

 

Über das Fenster gelangen Willow und Kennedy unbeschadet ins Haus, da sich der Zauber nur auf die Tür beschränkte. In der Küche angekommen staunten die beiden sehr, als sie plötzlich den Miniaturausgaben ihrer Freunde begegneten.

 

„Oh mein Gott! Was ist mit euch passiert?“ fuhr es aus Willow heraus.

 

„Ich vermute das war das Werk von Ethan Rayne. Will kannst du uns wieder in unsere ursprüngliche Größe verwandeln?“

 

„Ich weiß nicht, dass ist nicht so leicht. Ich muss erst mal herausfinden, wodurch ihr auf einmal so klein geworden seid?“

 

„Es muss mit der Haustüre zusammenhängen. Als ich in Haus eingetreten bin, machte es ein komisches Geräusch und ich war plötzlich ganz klein.“

 

„Ja, bei mir war es genauso,“ fügte Xander hinzu.

 

„Gut dann seh’ ich mir das mal genauer an.“

 

Willow öffnete von innen vorsichtig die Haustüre, blieb aber soweit wie möglich von der Türschwelle entfernt. Sie betrachtete sich genauestens den Türrahmen und die Tür selbst, bis ihr das feine unscheinbare Pulver auffiel, das auf der Türschwelle lag.

 

„Hmm.“

 

Nach kurzen Überlegungen ging sie zurück in die Küche und meinte: „Ich habe die Ursache gefunden. Ich schätze ich weiß, um welche Art des Zaubers es sich in etwa handelt. Es ist die Türschwelle, die euch verkleinert hat. Ich muss nur eine Art Umkehrzauber darüber legen, dann kann ich das ganze rückgängig machen.

 

Alle waren erleichtert über diese Nachricht. Jetzt musste das Ganze nur noch funktionieren. Willow traf ein paar Vorbereitungen während Kennedy Mini-Buffy, Mini-Xander und Mini-Andrew vorsichtig nach vorne trug.

 

Aurelius hatte alles von einem Fenster aus beobachtet. Als sich alle nach vorne zum Eingang begaben, verwandelte er sich kurzerhand in einen schwarzen Raben und flog ebenfalls nach vorne zu einem der Bäume, von wo aus er gute Sicht auf die Geschehnisse hatte. Er war überrascht, dass Willow die Ursache des Zaubers so schnell entdeckt hatte, und zugleich fasziniert von ihren Vorbereitungen. Nun wartete er gespannt auf das Ergebnis ihres Zaubers.

 

Willow benötigte für ihr Vorhaben eine Art Träger der Magie. Ähnlich wie das glitzernde Pulver. Da sie aber nichts dergleichen zur Hand hatte, missbrauchte sie einfach etwas Salz aus der Küche, was hoffentlich die gleiche Wirkung haben würde.

 

Auf Lateinisch sprach sie einige Worte und streute dabei aus sicherer Entfernung immer wieder etwas von dem Salz auf die Türschwelle. Die etwas kleineren Freunde beobachteten gebannt die Handlungen der riesigen Willow über ihnen.

 

„So, das war’s. Jetzt sollte es einer von Euch ausprobieren“

 

Xander war wieder mal mehr als skeptisch, ob die Zauberkünste von Willow hierfür ausreichend waren und schrie laut, da Willow ihn sonst nicht hätte hören können: „Bist du sicher das es geklappt hat? Sollte da nicht vielleicht irgendetwas passieren? Ein Rauchen oder ein Geräusch, woran man sieht, dass der Zauber wirkt?“

 

Verärgert funkelte Willow auf den winzigen Xander herab, welcher bei dem bedrohlichen Blick seiner riesenhaften Freundin zusammenzuckte. Schließlich meiner er zu Andrew: „Geh du zuerst. Schließlich warst du auch der erste, der verwandelt wurde. Vielleicht ist es wichtig.“

 

Versuchte Xander davon abzulenken, dass er eigentlich nur zuviel Angst hatte es als erster auszuprobieren. Schließlich wollte er nicht noch kleiner werden. Andrew jedoch verspürte nicht das geringste Bedürfnis noch einmal über diese Türschwelle zu gehen und versteckte sich schützend hinter Bertolin, der inzwischen wieder sichtbar war. Bertolin stemmte seine Hände in die Hüften und sah drohend auf Xander herab, damit dieser es nicht wagen würde seinem Meister etwas anzutun.

 

Buffy fasste sich schließlich ein Herz und lief auf die Türschwelle zu. Sie vertraute Willow und hoffte, dass dieser Spuk gleich ein Ende haben würde. Kaum hatte sie die mit Pulver und Salz bestreute Schwelle übertreten, machte es wieder „flopp“ und Buffy stand in ihrer alten Größe auf der Veranda. Nun folgten ihr auch die beiden männlichen Miniaturausgaben, da sie sicher sein konnten das der Zauber funktionierte. Damit auch niemand sonst durch einen Zauber geschädigt werden könnte, griff sich Willow die vorbereiteten Schaufel und Besen und kehrte das Salz und das Pulver zusammen.

 

Nachdem die Gefahr nun gebannt und alle wieder so groß wie immer waren, vielen sie Willow glücklich und dankbar um den Hals.

 

****

 

Aurelius’ Rabenaugen funkelten geheimnisvoll. Er hatte alles genauestens beobachtet. Nun flog er mit kräftigen Flügelschlagen in die Luft, um weit entfernt in einer dunklen sonnengeschützten Gasse zu landen und sich wieder in menschliche Gestalt zu verwandeln. Ein wissendes Lächeln huschte ihm über die Lippen.

 

Willow hatte großen Eindruck bei ihm hinterlassen. Große Macht konnte er in ihr spüren. Er hatte keinen Zweifel, dass sie diejenige war, die vor langer Zeit einmal alle Mächte der Welt erschüttert hatte. Damals hatte er sie schon suchen wollen, aber er war sich nicht sicher, ob er sich mit ihren Kräften hätte messen können. Oder ob er es hätte tun wollen.

 

Und nun war sie hier in seiner Stadt. Was wollte sie hier? Anfangs hatte er sie nicht sofort erkannt, da sie so unschuldig und so zart wirkte. Er wusste, dass sie zu großer Macht fähig war, hatte aber auch erkannt, dass sie der großen Versuchung der schwarzen Magie widerstand. Dies zeugte von starker Willenskraft und faszinierte den alten Magier sehr. Entschlossen schritt er durch die dunkle Gasse. Er wollte mehr über die rothaarige Hexe erfahren und beschloss von nun an ein Auge auf sie zu werfen. Vorher jedoch musste er noch einem Schuldner einen Besuch abstatten.

 

****

 

Ethan Rayne hatte es sich in seinem Hotelzimmer gemütlich gemacht. Zu gerne hätte er Aurelius dabei beobachtet, wie er der Jägerin das Leben schwer machte. Doch er musste sich schonen. Seinen wertvollen Schatz, das Amulett, das er aus den Tiefen des versunkenen Höllenschlundes gegraben hatte bewahrte er sicherheitshalber in einer stählernen Schatulle auf, die mit einem Schutzzauber belegt war. Zu groß war die Gefahr, dass die Jägerin es ihm wegnehmen könnte. Schließlich brauchte er es bald für seinen Racheplan.

 

Dichter Rauch bildete sich plötzlich in seinem Zimmer und vor ihm erschien Aurelius um seinen Tribut einzufordern. Ethan brannte darauf zu erfahren, wie es der Jägerin ergangen sein mochte.

 

„Alter Mann, sag hat dein Zauber Wirkung gezeigt?“

 

„Mein Zauber zeigt immer Wirkung. Wage es nicht daran zu zweifeln, sonst werde ich es dir beweisen. Meine Pflicht ist getan. Jetzt fordere ich meine Bezahlung.“

 

Ethan ging zum Bett, bückte sich, und zog unter dem Bettgestell die hölzerne Truhe hervor, in der sich die vereinbarte Belohnung befand. Mit der Truhe in der Hand ging er zurück zu Aurelius und wollte sie ihm reichen, zögerte jedoch und fragte noch: „Erzähl mir was geschehen ist? Ist die große Jägerin jetzt ganz klein?“

 

„Das war sie.“

 

„Was soll das heißen, das war sie? Ist sie es oder nicht?“

 

„Ich sagte doch, dass sie es war! Der Zauber hat gewirkt. Ich habe sie und zwei ihrer Freunde in Winzlinge verwandelt. Doch du hast vergessen zu erwähnen, dass eine ihrer Freunde eine Hexe ist. Sie hat den Zauber rückgängig gemacht. Deswegen ist die Jägerin wieder so groß wie sie es vorher war.“

 

Ethan war wütend. Er hatte gehofft durch Aurelius’ Zauber an Zeit zu gewinnen, um seine Kräfte sammeln zu können. Doch nun musste er erfahren, dass es ihm rein gar nichts gebracht hatte.

 

„Unser Deal ist geplatzt! Keine kleine Jägerin, keine Bezahlung.“

 

So ließ Aurelius nicht mit sich umspringen. Er hob seine Hand, als würde er Ethans Hals würgen und obwohl er ihn nicht mal berührte und mindestens einen Meter weit weg stand, spürte Ethan einen enormen Druck an seinem Hals und begann zu röcheln. Aurelius’ Augen füllten sich schwarz und funkelten böse auf Ethan.

 

„Du hast einen Zauber verlangt, ich habe ihn ausgeführt. Und jetzt wirst du bezahlen!“

 

Der alte Hexenmeister kam einen Schritt näher und legte eine flache Hand auf Ethans Brust und entzog ihm seine magischen Kräfte. Schmerzvoll stöhnte dieser auf und ließ die Truhe zu Boden fallen. Er fühlte wie Aurelius ihm seiner Kräfte beraubte und krümmte sich vor Schmerzen.

 

„Lege dich nie mehr mit mir an. Und komme nie mehr um für einen Zauber zu bitten. Du bist nicht mehr Willkommen!“ drohte Aurelius, bevor er Ethan ohne ihn selbst zu berühren gegen die Wand schleuderte, wo dieser erschöpft und stöhnend liegen blieb.

 

Der alte Mann nahm die hölzerne Truhe, streichelte sanft darüber und verschwand in einem dichten Nebel aus Rauch.

 

****

 

Folge 6